Gegenwärtig kämpfen in Afghanistan die USA und verbündete Nato Truppen gegen
afghanische Taliban und Dschihadisten u.a. aus den Terrornetzwerken al Qaida und
Haqqani.
Die internationalen Truppen sind nicht in der Lage, permanent flächendeckende
Aktionen der Taliban und der Terrornetzwerke zu verhindern. Das gilt sowohl für
gezielte Überfälle und Angriffe von Taliban-Kommandos auf internationale Truppen,
die Anwendung von Sprengfallen gegen deren Truppenbewegungen als auch für
Aktionen von Selbstmordattentätern, die überwiegend in den Terrornetzwerken
rekrutiert werden.
Warum waren die USA und deren Verbündete nicht in der Lage, die Macht und
Fähigkeiten der Taliban und der Terrornetzwerke während der mehr als 10 Jahre
dauernden Kampfhandlungen in Afghanistan entscheidend zu schwächen? Die
Gründe sind vielschichtig und werden kontrovers diskutiert.
In asymmetrischen Kriegen, wie dem in Afghanistan, gelten andere Bedingungen als
in Szenarien herkömmlich geführter Kriege. Die Taliban und Dschihadisten sind nur
zu erkennen und zu bekämpfen, wenn sie aktiv die internationalen Truppen
angreifen, oder bei Sabotageakten und deren Vorbereitung erkannt und gestellt
werden. Die Erkennung von Selbstmord-Attentätern im Einsatz ist selten erfolgreich.
Der bedeutende taktische Vorteil der Taliban und der Terroristen in Afghanistan ist
die „Offene Grenze“ zu den Stammesgebieten FATA (Federal Administered Tribal
Area) in Pakistan. Sie haben dort sicheren Unterschlupf (safe haven), finden
logistische Unterstützung und können sich neu formieren. Sie werden durch die
Souveränität des Staates Pakistan geschützt, die internationalen Truppen verfolgen
sie nicht über die pakistanische Grenze. Pakistan hält die Grenze offen, weil die
Drogen,– und Schmuggelkartelle zu einflussreich sind (Korruption), aber auch, weil
der pakistanische Geheimdienst ISI so mit Hilfe der Taliban Afghanistan
destabilisieren kann. Das ist ein Kernanliegen pakistanischer Politik.
Afghanistan kann die Grenze nicht schließen, weil die militärischen Mittel fehlen und
die Stammesbindungen der Sicherheitskräfte stärker sind als afghanisches
Staatsbewusstsein. In den FATA haben die Terrornetzwerke ihre Ausbildungslager
und von dort rekrutieren die afghanischen Taliban Kämpfer, die in den Madrassen
(Koranschulen) radikalisiert und ausgebildet werden. Diese stammen überwiegend
aus den afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan. Neben der Unterstützung u.a.
durch Pakistan und Saudi Arabien, finanzieren sich die Taliban zu einem
erheblichen Teil durch Drogenhandel. Afghanische Bauern produzierten 2007 einen
93%igen Anteil der weltweiten Heroinproduktion (Rashid: Sturz ins Chaos. 2010.
Ähnliche Hinweise: Die Zeit Online. 22.11.2012./ CIA-The World Fact Book.
Afghanistan). Die Drogen werden aus Afghanistan, über Pakistan, die
Zentralasiatischen Staaten und den Iran in den Westen transportiert.
Die afghanische Regierung kann sich zur Legitimation nicht auf ein, von allen
gesellschaftlichen Gruppen Afghanistans (Ethnien, religiösen Gruppierungen,
ethnischen Minderheiten etc.) getragenes Staatsverständnis berufen. Die
Staatlichkeit Afghanistans war historisch immer abhängig von der Machtverteilung
unter den Ethnien (Stämmen) Afghanistans und/oder den Interventionen
ausländischer Staaten (z.B. England, die Sowjetunion, Russland, die USA, Pakistan,
Iran, Saudi Arabien u.v.m.). Darüber hinaus korrumpieren und destabilisieren die
Drogenkartelle die derzeitigen zentralen und provinziellen Regierungsapparate. Das
hat auch destabilisierende Auswirkungen in den direkt angrenzenden Staaten
Zentralasiens und Iran.
Die Ausbildung afghanischer Soldaten und Polizisten durch die USA und Nato
Staaten soll diese befähigen, die Sicherheits-und Ordnungsfunktionen eines
souveränen Afghanistans wahrzunehmen. Das wird nicht gelingen, weil die
rekrutierten Soldaten und Polizisten partikulare ethnische/religiöse und nicht
gesamtstaatliche Interessen vertreten und schützen werden.
Das nicht entwickelte Staatsbewusstsein in der afghanischen Gesellschaft, eine
Zentralregierung ohne Legitimation und zusätzlich durch Korruptionsaffären belastet,
die Macht der Drogenkartelle, die ungebrochene Kampfkraft der Taliban so wie der
Terrornetzwerke und die permanenten Interventionen ausländischer Staaten (allen
voran des pakistanischen Geheimdienstes ISI), wird nach Abzug der USA und der
Nato Truppen in Afghanistan zum Staatskollaps führen.
Ein kollabierter Staat Afghanistan destabilisiert die süd- und zentralasiatische Region
und führt zum staatlichen Kollaps Pakistans, dessen gegenwärtige Staatlichkeit als
gefährdet bewertet wird (http://www.foreignpolicy.com/failedstates). Der Kollaps Pakistans mit den in seinem Besitz befindlichen Nuklearsprengköpfen und Trägersystemen birgt die Gefahr, dass die in Pakistan residierenden Terrornetzwerke, die bereits die pakistanischen Streitkräfte unterwandert haben (The Nation.
http://www.nation.com.pk/pakistan-news-newspaper-daily-englishonline/
editorials/04-Apr-2013/the-enemy-within) in den Besitz dieser Waffen
kommen. Das hätte weltweite Sicherheitsimplikationen.
Die USA benutzen die Bezeichnung AfPak als Synonym für die Beschreibung eines
unauflösbaren Zusammenhangs, des sicherheitspolitischen „Hot Spots“
Afghanistan/Pakistan: Die Entschärfung kann nur durch die Kooperation der beiden
betroffenen Staaten, aber auch die der direkt angrenzenden, gelingen.
In der Shanghai Organisation für Zusammenarbeit (SCO, Shanghai Organisation
Cooperation) und der Südasiatischen Vereinigung für regionale Kooperation
(SAARC, South Asian Association for Regional Cooperation) sind alle Staaten
entweder als Mitglied oder als Beobachter vertreten, die zur Lösung der AfPak
Situation beitragen können.
Unbeschadet der Bedeutung der oben beschriebenen Foren und Regime für
Konsultationen und Kooperationen im asiatisch/pazifischen Raum, wird durch AfPak,
aber auch durch den Konflikt um Nordkorea und Iran evident, dass politische und
diplomatische Lösungsansätze für diese Konflikte nur erfolgreich entwickelt werden
können, wenn China und die USA gemeinsam politisch die gleichen Ziele verfolgen
und in der Wahl der diplomatischen Mittel übereinstimmen, um die jetzigen und noch
kommenden “Hot Spots“ dieser Welt einzugrenzen und abzukühlen.
Dabei kann es nicht, wie bei Ferguson´s „Chimerica“ (Washington Post.
2008/11/16. Niall Ferguson Says U.S.-China Cooperation Is Critical to Global
Economic Health) ausschließlich um die zugegebenermaßen außergewöhnlichen
wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Großmächte gehen, sondern um alle
weltweiten Stabilitäts- und Entwicklungsprobleme.
Politische Wissenschaftler und Publizisten befassen sich sehr ausgiebig mit der
„Power Tansition Theory“. Diese beschreibt die Entwicklung des Internationalen
Systems, wenn ein Hegemon, der an Macht und Einfluss verliert, von einem
aufstrebenden, revisionistischen Staat herausgefordert wird. Dabei wird immer China
als Herausforderer der USA gesehen. Tatsächlich ist dieser Zusammenhang nicht
erkennbar. Die mit erheblichem Aufwand betriebene Modernisierung der
Volksbefreiungsarmee wird als Indiz dafür gewertet, dass China die USA als
führende asiatisch/pazifische Ordnungsmacht ablösen will. Hier wird außer Acht
gelassen, dass Chinas Streitkräfte die Fähigkeiten der U.S. Streitkräfte heute nicht
erreichen und auch mittelfristig nicht erreichen werden. Die USA besitzen
strategische militärische Fähigkeiten, die bei der Volksbefreiungsarmee nicht
ansatzweise vorhanden sind. Das wissen auch die Chinesen.
Bei der Bewertung des aktuellen nationalen außenpolitischen Rollenkonzepts Chinas
wird häufig die noch heute wirksame Bedeutung der „24 Character Strategy“ Ding
Xiaoping´s nicht angemessen bewertet. Darin wird u.a. für China empfohlen, keine
Führungsrolle zu übernehmen, die eigenen Fähigkeiten nicht öffentlich zu machen
und sich bei allen Entwicklungen die dafür notwendige Zeit zu nehmen.
Über den sino/amerikanischen strategischen und wirtschaftlichen Dialog (SED)
haben die beiden Großmächte ein Forum auf Regierungsebene eingerichtet, um
gemeinsam politisch und diplomatisch als strategische Partner zu agieren. Erste
Ansätze sind u.a. in dem Abstimmungsverhalten Chinas im UN Weltsicherheitsrat
bei den Resolutionen über Sanktionen gegen Nordkorea aber auch gegen den Iran
zu erkennen.